Am Internationalen Frauentag feiern wir nicht nur Errungenschaften und Fortschritte, sondern gedenken auch an Frauen, die Kunstgeschichte, trotz aller Widerstände, geschrieben haben. Sie schufen bedeutende Werke als Ausdruck persönlicher Erfahrungen, als politisches Statement oder als Mittel zur Veränderung gesellschaftlicher Strukturen. Die Kunsthistorikerin Paula Marschalek beleuchtet in diesem Blogbeitrag, was Künstlerinnen großartig sowie erfolgreich macht und analysiert verschiedene Faktoren wie Technik, Vision, Wiedererkennbarkeit und gesellschaftliche Wirkung.
Vier Ikonen der Kunstgeschichte aus vier verschiedenen Epochen stehen im Fokus: Artemisia Gentileschi, die sich in der Barockmalerei durchsetzte, Adélaïde Labille-Guiard, die sich für Künstlerinnenrechte in der französischen Akademie im Louvre einsetzte, Niki de Saint Phalle, die mit ihren bunten Skulpturen Frauenbilder in Frage stellte, und die Guerrilla Girls, die seit 1985 den Kunstbetrieb mit ihrem Aktivismus herausfordern. Ihre unterschiedlichen Werkansätze und Lebenswege zeigen, dass Großartigkeit und Erfolg nicht nur im künstlerischen Geschick liegen, sondern auch im Mut, neue Wege zu gehen.
Artemisia Gentileschi (1593 - um 1653): Die Meisterin der Barockmalerei
li: Artemisia Gentileschi, Susanna und die Ältesten, 1610. / re: Judith und Holofernes, um 1612-13 © Web of Art Gallery
Artemisia Gentileschi, die schon zu Lebzeiten eine internationale Berühmtheit war, setzte sich mit ihren bemerkenswerten Kompositionen in einer Männer dominierten Kunstwelt durch und wurde als erste Frau in die renommierte Accademia di Arte del Disegno in Florenz aufgenommen. Zu dieser Zeit fanden Künstlerinnen kaum Anerkennung und ihre Ausbildungsmöglichkeiten waren gegenüber den männlichen Kollegen stark eingeschränkt.
Trotz dieser Hürden erarbeitete sie sich einen Platz unter den bedeutendsten Malern ihrer Epoche. Ihre Werke zeichnen sich durch eine außergewöhnliche Dramatik und emotionale Tiefe aus. Besonders auffällig ist die Darstellung weiblicher Protagonistinnen: Sie malte biblische und mythologische Heldinnen nicht als passive Opfer, sondern als entschlossene, kraftvolle Frauen, die sich gegen Unterdrückung und Gewalt zur Wehr setzen. Diese Darstellungen spiegeln nicht nur die künstlerische Sensibilität Gentileschis wider, sondern auch ihre eigene Lebensgeschichte als eine Geschichte des Kampfes gegen Ungerechtigkeit. Sie nutzte das Medium, um Geschichten aus der Perspektive der Frauen zu erzählen, die oft übergangen oder als machtlos dargestellt wurden. Gentileschi ließ sich nicht von gesellschaftlichen Normen oder persönlichen Rückschlägen aufhalten. Ihr Durchhaltevermögen, ihr Talent und ihr unerschütterlicher Wille machen sie zu einer der bemerkenswertesten Künstlerinnen der Geschichte.
Adélaïde Labille-Guiard (1749–1803): Die Wegbereiterin für Frauen in der Kunstwelt

Rund ein Jahrhundert später, in dem Frauen nur unter großen Einschränkungen als professionelle Künstlerinnen arbeiten durften, bahnte sich Adélaïde Labille-Guiard mit Talent, Entschlossenheit und Engagement ihren Weg. Sie war eine herausragende Porträtmalerin des 18. Jahrhunderts und wurde 1783 zusammen mit Élisabeth Vigée Le Brun in die renommierte Königliche Akademie der Malerei und Bildhauerei des Louvre aufgenommen. Als Mitglied dieser Institution setzte sie sich aktiv für die Ausweitung der Rechte von Künstlerinnen ein und bekämpfte die restriktiven Regeln der Akademie, welche die Anzahl weiblicher Mitglieder auf vier begrenzte. Diesen Anspruch hielt sie 1785 in ihrem Selbstbildnis mit zwei Schülerinnen fest. Das großformatige Gemälde bildet somit ein starkes Statement für weibliche Solidarität in der Kunst ab und zeigt sie in ihrem Atelier, elegant in ein üppiges, blaues Kleid gehüllt. Zwei Frauen stehen voller Bewunderung und Ehrfurcht hinter der Lehrerin, die scheinbar mühelos die riesige Leinwand vor sich in Angriff nimmt. Hinter ihr steht eine Büste auf einem Sockel – möglicherweise ein Symbol für ihre akademischen Ambitionen und ihre Auseinandersetzung mit der klassischen Kunst. Doch im Gegensatz zu traditionellen Künstlerporträts inszeniert sich Labille-Guiard nicht als einsames Genie, sondern als Teil eines Netzwerks. Ihre Schülerinnen stehen nicht passiv im Hintergrund, sondern sind integraler Bestandteil der Komposition – eine bewusste Botschaft: Talent und Wissen sind nicht für den Einzelnen da, sondern sollen weitergegeben werden. Gemeinsam scheint einfach mehr möglich.
Niki de Saint Phalle (1930–2002): Die Visionärin, die den öffentlichen Raum neu dachte

“Wie fühlt es sich an, in einem Körper zu sein, und wie lässt sich das visualisieren?”, diese Frage stellte sich die in Paris geborene Autodidaktin Niki de Saint Phalle, indem sie ihren Blick mit den Nanas auf die Rückeroberung der weiblichen Form richtete und die Rolle des Körpers prinzipiell hinterfragte. Diese üppigen, tanzenden, im Stil der Pop Art vielfarbig gestalteten Frauenfiguren gelten nicht nur als eine Gegenreaktion auf die konventionellen, oft zurückhaltenden Darstellungen des weiblichen Körpers in der Kunstgeschichte, sondern sind auch ein Paradebeispiel für eine unverwechselbare künstlerische Identität. Ein wesentliches Anliegen von Saint Phalle war es, Kunst aus elitären Institutionen herauszuholen und sie für alle zugänglich zu machen. Ganz bewusst überschritt sie die traditionellen Grenzen, integrierte Kunst in den öffentlichen Raum und etablierte diese als Teil des täglichen Lebens. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist der Tarot-Garten in der Toskana, ein weitläufiger, begehbarer Skulpturenpark, der Saint Phalles Überzeugung verkörpert, dass Kunst ein Raum der Freiheit, Fantasie und des gesellschaftlichen Wandels sein kann.
Guerrilla Girls (seit 1985): Aktivistinnen gegen Ungleichheit

Als Reaktion auf die Ausstellung International Survey of Recent Painting & Sculpture im Museum of Modern Art in New York, die eindrücklich zeigte, wie stark Frauen in der Kunstwelt marginalisiert wurden (von 169 ausgestellten Künstlern waren 13 Frauen vertreten), formierten sich die Guerrilla Girls und setzen sich seit über vierzig Jahren für die Sichtbarkeit für Frauen und gegen ethnische Vorurteile ein. Um auf diese Missstände aufmerksam zu machen, entwickelte die Gruppe eine einzigartige Proteststrategie, die bis heute nachhallt. Sie setzen auf provokative Plakate, Performances, Werbeanzeigen und Aktionen, um die strukturellen Mechanismen von Diskriminierung sichtbar zu machen. Ihr berühmtes Plakat aus den 1980er-Jahren fragte: „Müssen Frauen nackt sein, um ins Met Museum zu kommen?“ und belegte mit Zahlen, dass zwar 85 % der Aktdarstellungen im Museum weibliche Körper zeigten, aber nur 5 % der ausgestellten Werke von Frauen stammen. Diese pointierte, humorvolle, aber auch scharfzüngige Kritik machte sie weltweit bekannt und mit ihrer Ironie halten sie der Kunstwelt bis heute den Spiegel vor.
Die Geschichten von Artemisia Gentileschi, Adélaïde Labille-Guiard, Niki de Saint Phalle und den Guerrilla Girls zeigen, dass künstlerischer Erfolg weit mehr erfordert als nur Talent. Durchhaltevermögen, Mut und die Fähigkeit, sich trotz Widerständen weiterzuentwickeln, sind essenziell. Jede dieser Künstlerinnen verstand es, ihre Zeit zu prägen, den gesellschaftlichen Rahmen zu hinterfragen und ihre Kunst als Werkzeug für Veränderung einzusetzen. Doch kein künstlerischer Weg entsteht allein. Netzwerke, gegenseitige Unterstützung und das Einstehen füreinander sind entscheidende Faktoren, sei es durch das gezielte Fördern junger Talente, durch kollektiven Aktivismus oder durch das bewusste Einfordern von Raum und Sichtbarkeit. Ebenso wichtig sind eine starke künstlerische Identität (CI) und ein Wiedererkennungswert, der die eigene Handschrift unvergesslich macht. Dies kann beispielsweise durch markante Stilelemente wie die kräftigen Farben der Nanas, die provokativen Plakate der Guerrilla Girls oder den unverwechselbaren Blick auf weibliche Stärke bei Gentileschi erfolgen.
Der Zugang zu Ressourcen war in der Kunstwelt schon immer von entscheidender Bedeutung, doch wurden Frauen oft die gleichen Möglichkeiten vorenthalten wie Männern. Die Bedingungen haben sich zwar geändert, aber der Bedarf an Unterstützung und zugänglichen Instrumenten ist nach wie vor groß. Das Wissen, wie man sich selbst und seine Kunst vermarktet, ist von entscheidender Bedeutung, aber der Erwerb dieser Fähigkeiten erfordert Anleitung und Ressourcen, die nicht immer ohne weiteres verfügbar sind. Als Antwort darauf sind neue, niedrigschwellige Angebote entstanden, wie die Artist's Toolbox von Paula Marschalek. Diese Plattform, die sich an Kulturschaffende richtet, bietet Workshops, Vorlagen und Vernetzungsmöglichkeiten. Durch niedrige Kosten und einen offenen Zugang sollen Künstler:innen - insbesondere diejenigen, die mit systembedingten Hindernissen konfrontiert sind - gestärkt werden.
Über die Autorin:
Paula Marschalek, BA MAS ist eine österreichische Kunsthistorikerin, Kulturmanagerin und Gründerin der international agierenden Kommunikationsagentur Marschalek Art Management. Sie hat in renommierten Kulturinstitutionen wie dem Dorotheum, dem Kunsthistorischen Museum und MAK gearbeitet, sammelte Erfahrungen am Kunstmarkt bei einer jungen Galerie und absolvierte ein Kulturmanagement-Stipendium im MAK Center in Los Angeles, USA. Sie schreibt, tritt als Speakerin auf und kuratiert Ausstellungsprojekte mit dem Fokus auf feministischer Produktion. Neben klassischer Kunst-/Kultur-PR und Social Media Kommunikation, entwickelt Paula individuell zugeschnittene Kommunikationsstrategien und Beratungen für Kunst- und Kulturschaffende. Besonders liegt ihr das Thema Transparenz in der oft sehr elitären Kunstbubble am Herzen und damit einhergehend bietet sie Unterstützung für emerging artists mit Art Management (Organisations- und Kommunikationstools). Durch Talks, Texte, Führungen und experimentelle Formate versucht sie, den Kunstbetrieb niederschwelliger zu machen und branchenübergreifend Interessierte aufzufangen.
Website: www.marschalek.art / Artists Toolbox: https://marschalek.art/artists-toolbox/ Instagram @marschalek.art / Facebook Marschalek Art Management / LinkedIn Paula Marschalek
Assistenz: Mira Kerbl